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Ein Individuum erschafft sich seine eigene eingeschränkte Realität durch seine eigenen Wahrnehmungsprozesse, wenn es sich seines Wahrnehmungsprozesses nicht bewusst ist. (Pratyabhijna-hrdayam)

An manchen Tagen hilft vermeintlich nichts gegen die schlechten Gefühle und Gedanken, gegen den inneren Druck, der immer dann entsteht, wenn unser Selbstbild nicht mit dem übereinstimmt, wie es unserer Meinung nach eigentlich sein sollte. Ob es nun darum geht, wunderschön und erfolgreich zu sein oder darum, noch mehr Leistung zeigen zu  wollen und sich aufgrund der eigenen Gedanken immer mehr Arbeit aufzuhalsen.

Viele Menschen erfahren immer wieder, wie gewaltig ihre Gedanken sie in der Mangel haben und wie sehr sie das daran hindert, frei zu sein und ihr Leben selbst zu gestalten. In der Psychologie wird gern mit dem Begriff der Glaubenssätze gearbeitet, im Yoga mit dem Begriff der Kleshas.  (Mehr dazu gibt es übrigens in Kindheit und Gegenwart zu lesen).

Die Kleshas, die inneren Störkräfte, können sehr machtvoll sein. Und allein, dass Patanjali schon vor rund 2000 Jahren in den Yogasutras sehr eindrücklich auf diese Kräfte und Gedanken verwiesen hat, macht für mich deutlich, wie tiefgreifend das negative Denken über uns selbst in uns Menschen verankert ist. Aber ist es das wert? Yoga will uns den Weg zeigen, eigenverantwortlich und frei zu leben, es hilft uns von innen nach außen zu leben und nicht fremdgesteuert von außen nach innen das Leben zu ertragen.

Eine Methode, die nicht aus dem Yoga stammt und gleichzeitig doch viele Verbindungen zu Teilen der yogischen Philosophie aufweist, ist „The Work“ von Byron Katie1.

Das Schlimmste, was jemals in deinem Leben passiert, ist, dass ein Gedanke aufgetaucht ist, und du ihn einfach so geglaubt hast. Das Schlimmste, was jemals wieder in deinem Leben passiert, ist, dass ein Gedanke auftaucht, und du ihn einfach so glaubst. (Zitat frei nach Byron Katie)

Was bedeutet das?

Zum einen, dass Gedanken extrem machtvoll sind und zum anderen, dass wir es sind, die sie denken. Gedanken werden Realität. Wir lassen den Gedanken entstehen und glauben ihn. Warum? Vielleicht weil wir denken, das ist in mir, das kommt von mir, das muss wahr sein. Vielleicht weil wir den Gedanken bereits seit Jahrzehnten denken und er uns deshalb so vertraut und unhinterfragbar erscheint (sehr beliebt z.B. sind „Ich bin nicht gut genug“, „Ich habe nie Geld“, „Ich werde nie wieder gesund“).

Nun einfach zu sagen, gut, dann denke ich das Gegenteil, ist zu kurz gegriffen. Das geht nämlich nicht. „Denk immer positiv“ – Aphorismen erhöhen den Druck eher, als dass sie wirklich helfen und zur Entspannung führen. Denn so funktioniert das Leben nicht. Es ist nicht immer alles schön und unsere Gedanken sind nicht immer großartig. Das ist menschlich. Trotzdem haben wir die Wahl. Wir hören dem Gedanken zu und glauben ihn, oder wir fragen nach: Ist das wahr?

Und hier kommt „The Work“ ins Spiel. Mit vier Fragen soll Abstand geschaffen werden zwischen dem Gedanken und dem Denkenden. Die Fragen sollen helfen, dem Gedanken die Deutungshoheit über uns zu nehmen. Je häufiger wir etwas denken, desto tiefer gräbt es sich in unser Unterbewusstsein ein und filtert unsere Wahrnehmung entsprechend, dass sich der negative Gedanke immer wieder selbst bestätigen kann.

Wie schön wäre es eigentlich, wie frei wären wir eigentlich, wenn wir wirklich gut über uns denken würden? Was wäre dann alles möglich? Welche Wege würden wir beschreiten?

Unser Ausgangsgedanke, den wir prüfen wollen, lautet nun: Ich bin nicht gut genug.

Und hier die vier Fragen2:

  1. Stimmt das?
  2. Kann ich absolut sicher wissen, dass es stimmt?
  3. Wie reagiere ich auf diesen Gedanken?
  4. Wer oder was wäre ich ohne diesen Gedanken?

Dann folgt eine Umkehrung des Ausgangsgedankens und drei gute Beispiele, die diesen umgekehrten Gedanken ebenso wahr machen.

Auf Frage eins und Frage zwei sind nur die Antworten Ja oder Nein zulässig. Wenn ich bei Frage eins mit Nein antworte, dann gehe ich gleich zu Frage Drei. Jede Antwort ist richtig, bei Frage zwei muss nicht mit einem Nein geantwortet werden. Frage drei und vier werden immer beantwortet.

Ein kurzes Beispiel: Ich bin nicht gut genug.

  1. Stimmt das? Ja
  2. Kann ich absolut sicher wissen, dass es stimmt? Nein
  3. Wie reagiere ich auf diesen Gedanken? Ich fühle mich traurig und bedrückt
  4. Wer oder was wäre ich ohne diesen Gedanken? Ich wäre entspannter und mutiger

Umkehrung: Ich bin gut genug!

Drei Beispiele, warum ich gut genug bin: Ich habe gute Freunde; Gestern wurde ich von XY um Rat gefragt; Ich kann gut Badminton spielen.

So oder ähnlich könnte das aussehen, egal wie klein oder groß die Beispiele sind, die wir für den umgekehrten Ausgangsgedanken finden, alles zählt. Es geht nicht darum, sofort geheilt zu sein, oder uns selber zu überlisten. Es geht darum, zu überprüfen, ob all die Unsicherheiten und negativen Gedanken wirklich wahr sind. Stehen sie nicht meist im Gegensatz zu dem, was wir wirklich wollen? Unser Kopf springt sofort auf Fragen an. Damit ist die negative Spirale erst einmal gestoppt. Und je häufiger wir konstruktive Gedanken denken, desto mehr wird auch unser Unterbewusstsein konstruktive Gedanken in unser Bewusstsein weiterleiten.

Wir können eine Yogastunde dazu nutzen, uns bewusster zuzuhören und dem zu lauschen, was da kommt. Erst einmal neutral. Das, was vielleicht immer wieder kehrt und uns belastet, können wir dann hinterfragen. Manchmal macht es nach dem ersten Durchlauf „AHA“. Wir lachen über uns, weil es so absurd ist, was wir über uns denken, dass dieser eine Gedanke nie wiederkommt. Manchmal braucht es viele Durchläufe und auch das kann hinterfragt werden, wenn z.B. ein neuer Gedanke hinzu kommt: „Es wird ewig dauern, bis ich mich gut genug fühle“. Lasst es uns selbst wert sein, unsere Gedanken und Glaubenssätze immer wieder zu überprüfen.

Yoga schenkt uns Bewusstheit. Jedes Mal und immer mehr. In diesem Sinne ein herzliches Namasté und bis bald auf deiner Matte.

Für jetzt und immer

lutzi

1Byron Katie, u.a. „Wer wäre ich ohne mein Drama“, „Lieben was ist“ etc., Arkana Verlag 2002

2Byron Katie, Über Liebe, Sex und Beziehungen, S. 7, Goldmann Arkana 2006

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